Thema des ersten Vortrags der von den Freien Wählern initiierten Vortragsreihe waren die „Pflichtaufgaben, Weisungsaufgaben und freiwilligen Aufgaben einer Stadt im demografischen Wandel“. Diplom-Verwaltungswirt Friedhelm Werner gewann hier das Interesse der rund 30 Zuhörer gleich zum Einstieg mit der Feststellung: „ABBA ist out, WÄÄBAA ist in.“
„ABBA“, so Werner, stehe für „Alles bleibt beim Alten“. Angesichts des demografischen Wandels sei ein „weiter so wie bisher“ in einer Kommune nicht mehr erfolgversprechend. Vielmehr erfordere die durch „WÄÄBAA“ kennzeichenbare Entwicklung (soll heißen: wir werden immer weniger, älter, ärmer, bunter, anspruchsvoller, agressiver) einen aktiv gestalteten Wandel bei den von einer Kommune zu erfüllenden Aufgabenstellungen. Werner weiß dabei aus eigener Erfahrung, wovon er spricht. Als ehemaliger Bürgermeister hat er insgesamt 16 Jahre lang die Geschicke der 11.000-Einwohner-Stadt Laichingen gelenkt und ist zudem seit mehr als zehn Jahren Lehrbeauftragter der Verwaltungshochschule Ludwigsburg. Seit freiwilliger Beendigung seiner Amtszeit als Bürgermeister im Jahr 2012 agiert Werner nun als Leiter des Bildungswerks für Kommunalpolitik.
Um das bestehende Gestaltungspotenzial einzugrenzen, ging Werner zunächst auf die Aufgabenarten einer Kommunen ein. Bei sogenannten Weisungsaufgaben, beispielsweise der Ausstellung von Pässen, habe die Gemeinde die gesetzliche Pflicht zur Aufgabenerfüllung. Steigender Gestaltungsspielraum bestehe dagegen zwar nicht im „ob“, wohl aber beim „wie“, wenn es um die Pflichtaufgaben ginge. So beispielsweise sei die Bereitstellung von Schul- und Kindergartenräumlichkeiten zwar vorgegeben. Wie diese auszustatten seien, würde aber in nicht unerheblichem Umfang im Ermessen der Gemeinde liegen. Die freiwilligen Aufgaben schließlich seien der Bereich, indem sich eine Gemeinde profilieren könne, lediglich begrenzt durch die Möglichkeiten der Gemeindefinanzen. Hier, so Werner, ginge es um die „Seele“ einer Gemeinde, die die Lebensqualität und den Freizeitwert einer Stadt bestimmt.
Die Finanzen seien aber, wie wohl auch in Eberbach, vielfach der Engpass. Insofern müsse die Kardinalfrage lauten, welche Leistungen und welche Infrastruktur in Zukunft wirklich nötig (aus Sicht der Politik) und gefragt (aus Sicht der Bürgerschaft) seien. Dies erfordere möglicherweise auch, bei einzelnen Aufgaben Abstriche vorzunehmen, um andere zukunftsweisend aus- und aufzubauen. Einsparungen, um Spielraum für neue Aufgabenerfüllungen zu gewinnen, seien bei einigen kommunalen Pflicht- und freiwilligen Aufgaben denkbar und möglich. Aus der eigenen Erfahrung heraus nannte Werner hier eine Vielzahl von Ansatzpunkten. So habe er in seiner Zeit als Bürgermeister ein Sparprogramm namens VERA umgesetzt, dass erforderlich wurde, weil die Gewerbesteuereinnahmen in Laichingen in einem Jahr von zwölf auf zwei Millionen einbrach. Zu den VERA-Maßnahmen zählte unter anderem die Stilllegung von Straßenkehrmaschinen, die Einschränkung des Streu- und Räumdienstes, das seltenere Mähen von Grünanlagen bis hin zur Nichterfüllung von Sonderwünschen von Kindergärten bei Spielgeräten.
Demgegenüber sei es wichtig, den Standort attraktiv zu halten. Werner nannte hier eine Vielzahl von Ansatzpunkten, wie z.B. freies WLAN in der Innenstadt, die Zahl der Ausleihmedien in Bibliotheken, medizinische Angebote, Mehrgenerationenhäuser, die Attraktivität der Innenstadt, Begrüßungsprogramme für Neubürger. Wichtig sei künftig insbesondere, auch zur Erhaltung der Einnahmen, Familien zu binden und Zuzüge zu fördern. In der Seniorenpolitik sei es bedeutsam selbstbestimmtes Wohnen mit kurzen Wegen zu fördern und Mobilitätsangebote zu schaffen. Gerade die Generation 55plus berge hier ein großes Potenzial und Chancen im Bereich des Ehrenamtes, der Vereine und zur Gewinnung von Mäzenen. Gerade die Einbindung dieser Generation böte große Chancen die Stadt bei freiwilligen Aufgaben zu entlasten und ein attraktives, einzigartiges Miteinander in einer Stadt zu fördern.
Ausdrücklich hervorgehoben wurde von Werner das 10-Punkte-Programm des Eberbacher Bürgermeisters. Ein gemeinsames „Wir-Gefühl“ sei für eine Stadt ein wichtiger Schlüssel zum Erfolg. Auch die weiteren Programmpunkte seien vielversprechend und für die Stadtentwicklung bedeutsam.
Insgesamt erlebten die Zuhörer einen informativen und dennoch unterhaltsamen und kurzweiligen Abend. Michael Reinig, der Vorsitzende der Freien Wähler zeigte sich erfreut darüber, wie gut es dem Referenten gelungen ist, seine Begeisterung für kommunalpolitische Arbeit auf die Zuhörerschaft zu übertragen. Nun ginge es darum, die erlangten Impulse in die eigene kommunalpolitische Arbeit einfließen zu lassen. Er kündigte sogleich weitere Vortragsabende zum Thema „Eberbach 2020 – Fit für die Zukunft“ an, die in loser Folge in den nächsten Monaten geplant sind.
Lesen Sie hier auch gerne die Berichterstattung der RNZ zum Vortrag: https://www.rnz.de/nachrichten/eberbach_artikel,-Eberbach-Vortragsreihe-in-Eberbach-Kommunalpolitik-kann-richtig-Spass-machen-_arid,24211.html